von: Andreas Safft, Lüneburg (DE)
Andreas Safft |
"Ich mach' drei Tage das, was ich am
liebsten mag - laufen", sagt der weise Christian. Er würde wahrscheinlich
auch die ganzen 560 Kilometer allein hinbekommen, aber zwischendurch wird auch
mal geschlafen (sehr kurz), gegessen (sehr durcheinander), geradelt (je nach
Laune und Zustand der Beine) und im Bus gesessen (viel zu lange). Acht Leute
teilen sich die Strecke. Vier wechseln sich zirka 70 bis 100 Kilometer lang
alle zwei Kilometer ab, während die anderen vier (im Idealfall) ruhen und
schlafen, dann wird gewechselt. Ohne Radler, Busfahrer und unser fantastisches
Catering-Team wären wir natürlich kaum bis Buxtehude gekommen. Ein bisschen anstrengend
ist es aber auch so.
Unser Team vor dem Start |
Wenn man ein verlängertes Wochenende lang
praktisch permanent zusammenhockt, dann muss die Chemie auch gnadenlos stimmen.
Wir bildeten zu acht eine Schicht. Tina, Oli, Christian und Dirk kannte ich aus
dem Vorjahr schon zur Genüge. Nachdem ich schon im Vorfeld mit meinem
sofortigen Ausstieg gedroht hatte, falls wieder einmal 48 Stunden lang
gefühlige Jammerbarden wie Ed Sheeran, Max Giesinger und Schlimmeres zu hören
sind, haben wir uns insgesamt doch bestens verstanden. Und die drei Neuen,
Nicole, Nina und Julian - echte Granaten.
Nicole, die selbsternannte Gurke, die von uns
auch mal versehentlich vergessen wurde oder doppelt so lange laufen musste wie
vereinbart, haut einfach gar nichts um. Sie läuft nicht nur, sie tanzt sich
durch die Tage. Nina, eigentlich als Berichterstatterin für DKMSlife an Bord,
verschmilzt innerhalb weniger Stunden mit dem restlichen Team, unterhält uns
mit ihren Videoschnipseln, läuft und radelt auch mal oder legt sich
todesverachtend auf Landstraßen, um unsere Wechsel aus der Froschperspektive zu
filmen. Und Julian, der Kaffee-Experte, hat seine einzige und größte Krise, als
er die Plörre im Hostel in Rotterdam probiert. Ansonsten hat wohl kein anderer
der gut 6000 Teilnehmer so oft innerhalb so kurzer Zeit gesagt, wie geil er den
Roparun findet.
Beim Grenzübertritt Umgebung (NL) |
Im Gegensatz zu 2017 laufe ich (wie auch Tina, Oli, Christian und Dirk) erstmals im Team A, das in Hamburg startet. Wir bekommen also die Hälfte der Strecke mit, die wir im Vorjahr nicht gesehen haben. Nun gut, zwischen Hamburg und Bremen sind die Wiesen auch nicht deutlich interessanter als die zwischen Bremen und dem Emsland. Kurz vorm Grenzübertritt sichten wir die erste Partyzone in oranje und hören zum ersten Mal das Stück der Stücke:
Bis Rotterdam schmettern wir bei jeder sich
bietenden Gelegenheit: "Ich will Sex mit euch allen!", was natürlich
komplett übertrieben ist - denn wer wünscht sich wirklich schon näheren Kontakt
zu einer derart verschwitzten, fußlahmen Schar? Wir alle merken mehr oder
weniger, was unser Körper kann und was nicht. Ich kann zum Beispiel meinen
Aua-Fuß drei Tage immer wieder durch ausgiebigen Gebrauch eines Faszienballs
dazu überreden, doch durchzuhalten. Ich kann in einem kaum wohnzimmergroßen,
komplett überhitzten Raum im Vereinsheim eines Fußballvereins in Zutphen
einschlafen. Ich kann aber nicht am nächsten Morgen zwischen zwei Laufeinheiten
mal schnell einen Pfannkuchen futtern. Die fünf Minuten, die wir am Ende langsamer
als geplant das Ziel erreichen - die fünf Minuten verbringe ich stöhnend im
Busch.